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Kurzgeschichte

Duschen am Yukon: Von Folter und Feuerholz

Wie bleibt man eigentlich sauber am Yukon? Sorgt für ein bisschen Körperhygiene? Das werden wir oft gefragt. Lest deswegen hier bei uns eine neue Kurzgeschichte.

Über das Duschen am Yukon

Wer auch immer in der Menschheitsgeschichte die Dusche erfunden hat: Man überschütte ihn mit Lob und Gold. So lauten unsere Gedanken, wenn wir nach Wochen in der Wildnis gelegentlich das Glück haben, uns eine Portion heißes Wasser über unsere Abenteurerkörper fließen zu lassen.

Die Bedingungen sind meist kompliziert und selten komfortabel, sind meist abenteuerlich und selten hygienisch. Aber all das ist wie weggespült, wenn Schweiß und Sand von Hunderten Yukon-Kilometern dank einigen Litern warmen Wassers Geschichte geworden sind. Dann trocknen wir uns ab und spüren es, das kleine, wohlige Glück. Diese Momente der gefühlten Neugeburt sind uns nur wenige Male vergönnt. Und weil wir hart für sie gekämpft haben, bleiben sie uns nachdrücklich in Erinnerung.

Dreibein für großes Dusch-Vergnügen

Die allererste Dusche gönnen wir uns nach wenigen Tagen Yukon-Reise am Lake Laberge. Unser Körper pendelt da gerade noch zwischen Zivilisation und Verwilderung. Und wir beschließen an einem malerischen Strand zu Füßen von kiefernbewachsenen Bergen: Etwas warmes Wasser würde unseren Tag zu einem besseren Tag machen. Also bauen wir aus Treibholzstämmen und Packriemen eine Art überdimensionales Dreibein. Dann schleppen wir große Mengen Feuerholz zum Lager, um Yukon-Wasser auf Dusch-Temperatur zu bringen.

Bald brodelt und dampft und zischt es in unseren Töpfen. Und dann geben wir heiß zu kalt in unseren schwarzen Wassersack. Über Kies und Stein, im Adamskostüm, geht es damit zur improvisierten Duschstelle. Und während wir uns einseifen und das wenige warme Wasser über uns laufen lassen, blicken wir auf den Lake Laberge und den sich darin spiegelnden Sonnenuntergang. Und hoffen, dass da draußen nicht gerade ein Kanut mit Adleraugen oder Feldstecher unterwegs ist. Obwohl uns das mittlerweile auch schon egal ist. Das Leben in der Natur verschiebt die Schamgrenzen.

Einfach duschen kann ja jeder

Dunkelheit. Folterkeller. Wie im falschen Film fühlen wir uns in Dawson City, wo wir auf einem Campingplatz unterkommen. Campingplatz auf kanadisch bedeutet eine flache Wiese zum Zelten und einen Unterstand zum Kochen und Essen. Als wir nachmittags mit Sandalen und Shampoo bewaffnet Richtung hölzernes Duschhaus stolpern, schlägt uns beim Öffnen der Tür eine saunaartige Hitzewelle entgegen. Ein quadratischer Raum von vielleicht drei mal drei Metern, stockfinster, links ein riesiger Bollerofen, in dem das Holzfeuer prasselt und darüber reichlich Yukon-Wasser erhitzt. Und daneben ein weiterer Bottich mit kaltem Wasser.

Wir mixen uns in einem Messingeimer unsere Dusch-Mischung zusammen. Und dann setzen wir uns auf dieses Höckerchen inmitten des Raumes, nur von einem kleinen Oberlicht beschienen. Modell Eimerdusche! In einem Arrangement, in dem wir jeden Moment einen amerikanischen Agenten zum Verhör erwarten. Just in diesem Moment klopft dann tatsächlich jemand an – doch es ist nur der duschwillige Zeltnachbar. Die folgende Eimerdusche verschafft uns ein kurzes, aber wohltuendes Vergnügen.

Die Dusche macht, was sie will

Schikaniert fühlen wir uns hingegen beim Duschen in Ruby, viele Yukon-Meilen später. Wir kämpfen uns bei hochsommerlichen Temperaturen die Hügel des Dorfes hinauf. Selbst hier lauern die Mücken, als wir zunächst fast in einem Pumpwerk und dann doch in der Washeteria landen. Jan-Philipp und ich wollen gleichzeitig duschen und staksen in die beiden Waschräume. Doch mein Münzautomat verweigert beharrlich die Kooperation. Da stehe ich also, wie Gott mich schuf, und zwischen einer heißersehnten, nein, herbeigeflehten Dusche und mir steht eine unwillige Maschine. Wo man auch drückt und schlägt: die Münzen wollen nicht in den Schlitz.

Resignation, Frust. Doch dann öffne ich auf Verdacht den Duschhahn und kann mein Glück nicht fassen: Ein großer Schwall heißen Wassers prasselt auf mich herein. Ich jauchze, ich tanze und dusche mir doch erstmal möglichst schnell das Shampoo und den Dreck vom Leib. Wer weiß, wann dieser störrische Münzautomat die Wasserleitung kappt? Doch das hat er gar nicht vor, so dass ich mir den Luxus von zehn Minuten heißem Wasser gönne. Ich reibe mich trocken, ziehe mich an und marschiere tiefenentspannt zu Jan-Philipp. Um dann zu vernehmen, dass seine Dusche sogar alle seine Münzen angenommen hat. Um dann zur Belohnung nur ein bescheidenes Rinnsal eiskalten Wassers loszulassen.

Das Leben kann sehr sehr ungerecht sein. Und da wissen wir noch nicht mal, dass wir bald in einer wenig vertrauenserweckenden Privatdusche oberhalb der Post in Grayling duschen werden, deren Konstruktion aus freistehenden Rigipswänden und offen heraushängenden Leitungen besteht. Oder die in Tanana, in der ein Wasser- und Schimmelschaden vor einiger Zeit offenbar rabiat mit einem Bohrhammer innerhalb der Dusche bekämpft wurde.

Heiße Quellen in Alaska

Der unangefochtene Höhepunkt ist aber ein anderer. Eine heiße Quelle soll es geben, großartig für eine Dusche und ein Bad, hoch oben in den Bergen. Chris Breier, ein anderer Yukon-Abenteurer, hat uns davon erzählt. Doch hier hat man vor die heiße Quelle eine epische Schlacht mit den Moskitos gesetzt. In welcher Anzahl und Vehemenz die Tierwelt auf uns losgeht, bringt uns bei sommerlichen Temperaturen an unsere Grenzen. Die Moskitos krabbeln auf den Händen herum, versuchen, jeden freien Quadratzentimeter Haut zu erreichen. Und dann stechen sie so blutrünstig zu, als rechneten sie damit, dass erst in einem Jahrzehnt wieder derart leckere Abenteurer den Wald betreten werden. Wir kämpfen uns voran, es ist schweißtreibend, immer durch den Wald, durch einen Pfad inmitten von mannshohem Farn. Wenn wir uns jetzt nicht wie Abenteurer fühlen, wann dann?

Uns so waten wir auch noch durch einen Bachlauf, biegen zwei Mal verkehrt ab und hören dann durch unsere Ohren aus der Ferne ein Rauschen. Und kurze Zeit später erreichen wir ein Wasserbecken, das mit blauer Folie ausgelegt ist. Was da vor sich hin sprudelt, ist nicht nur kristallklares Wasser, es ist heiß! Und so streifen wir unseren Netzhut ab und lassen das Nass über unser Gesicht fließen. Jan-Philipp hat schnell genug, weil ihn schon wieder die Moskitos auf dieser Lichtung plagen. Aber ich, ich kann einfach nicht aufhören, kniend vor diesem Wasserbassin, mir immer und immer wieder diese unglaubliche Wohltat von heißem Wasser über das Gesicht laufen zu lassen, bald tauche ich tief ein und genieße es in vollen Zügen. Und ich kann mit Fug und Recht sagen: Das ist die schönste Dusche meines Lebens.

Bis heute denken wir manchmal daran, was für ein Privileg das eigentlich ist, so lange und so oft duschen zu können, wie wir wollen. Ohne stundenlange Vorarbeit, ohne Münzeinwurf und ohne Moskitos. Aber so aufregend und schön ist es halt irgendwie auch nicht.
FOTOS: YUKON-BLOG.DE

 

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